Silicon Valley
Silicon Valley - High-Tech Wirtschaftswunder Nordkaliforniens

Der Transistor und weitere technische Errungenschaften

In den späten vierziger Jahren wurde in den Bell Laboratories der Transistor (Übergangswiderstand) entwickelt, der die physikalischen Eigenschaften eines Halbleiters nutzt. Transistoren waren um einiges schneller, kühler und kompakter als die bis dahin in den tonnenschweren ersten Computern verwendeten Vakuumröhren, und wiesen alle nötigen Voraussetzungen zur Miniaturisierung auf.
Diese Erfindung, für die die Entwickler John Bardeen, Walter Brattain und William Shockley 1956 den Nobelpreis erhielten, ist der Grundbauteil, ohne den kaum ein wichtiges elektronisches Gerät vorstellbar wäre - von E-Gitarren und digitalen Uhren über Computer bis hin zu Mondraketen.

Die Halbleiterindustrie wurde Silicon Valleys erstes Industrie-Cluster, sie war es, die den Stein ins Rollen brachte.
Halbleiter (in Form des Transistors und des integrierten Schaltkreises, in weiterer Folge auch als Computerchips) wurden die Basis-Komponenten praktisch aller neuen elektronischen Erfindungen.

Das auffälligste Merkmal der Halbleiterindustrie ist die ständig steigende Leistung bei gleichbleibenden Kosten. Dieses Phänomen wird nach einem Mitbegründer der Firma Intel "Moore's Law" genannt. Es besagt, dass sich die Anzahl der Transistoren auf einem integrierten Schaltkreis ungefähr alle 18 Monate verdoppelt. Es kommt zu einem konstanten Abfallen des Preises für einen bestimmten Chip, bis er von einem schnelleren Chip zum gleichen Ausgangspreis verdrängt wird.

William Shockley, wütend darüber, dass sein Name nicht im Transistor-Patent erwähnt wurde, entschied sich damals, eine eigene Firma zu gründen, um diese Erfindung zu nützen. Zu diesem Zweck stellte er acht junge Wissenschafter an. Der brillante Techniker erwies sich allerdings bald als überaus schlechter Manager. Er unterzog seine Mitarbeiter stundenlangen psychologischen Prüfungen und IQ-Tests und hatte einen beinahe krankhaften Verfolgungswahn, zusammen mit einem unberechenbaren Temperament. Als er eines Tages aus dem Urlaub zurückkam, musste er feststellen, dass die acht mittlerweile die Firma verlassen hatten, um gemeinsam ein eigenes Unternehmen mit dem Namen FAIRCHILD Semiconductor zu gründen - quasi der erste Spin-Off in einer unendlichen Reihe, die Silicon Valley auch heute noch prägen.
Mit dieser Firma hatten sie dann auch großen Erfolg, sie brachte überaus hohe Gewinne und machte viele ihrer frühen Angestellten sehr schnell reich. Das stellte natürlich einen Ansporn für andere dar, ihrem Beispiel zu folgen, und das Interesse der Investoren war geweckt.
In weiterer Folge entstanden nicht weniger als 124 Startups aus FAIRCHILD: es gab auf diesem neuentdeckten Markt so viele kommerzielle Möglichkeiten, dass eine Firma allein sie gar nicht alle ausnützen konnte. Angestellte, deren Projekte und Ideen von den Chefs abgelehnt wurden, gründeten eigene Firmen, um ihre Ziele auf eigene Faust zu verfolgen.
Die heute größten Chiphersteller der Welt hatten ihren Ursprung in Fairchild: auf der Liste der Startups findet man so bekannte Namen wie Intel, wo 1971 der Mikrochip entwickelt wurde, oder AMD (Advanced Micro Devices), die heute noch den Mikroprozessor-Markt für IBM-PCs dominieren.
Der immense Profit der Angestellten und Teilhaber der ersten Stunde wurde teilweise wieder in neue Firmen investiert. Die Angestellten konnten das jetzt tun, ohne ihre eigene Zukunft zu gefährden.

Die Ausgabe von Aktien und Anteilen an der Firma wurde zum wichtigen Mittel, um benötigte Angestellte zu finden und beim Unternehmen zu halten.

Nicht alle der wie Pilze aus dem Boden schießenden neuen High-Tech Firmen befassten sich allerdings mit der eigentlichen Herstellung von Elektronik-Bauteilen: Viele der Firmen wurden "virtuell", sie konzentrierten sich immer mehr auf die Schaffung von geistigem Eigentum und Design-Funktionen als auf die Herstellung der Produkte als solche.
Man entdeckte das "Outsourcing" der Finanzierungsabteilungen, Personalabteilungen und vor allem der Produktion: Neue Halbleiter-Firmen konzentrierten sich auf den Entwurf und das Design neuer Chips und bezahlten dann andere, um sie zu produzieren. Als Folge davon entstanden in der Region einige "mietbare Produktionshallen".
Manche Firmen beschränkten sich nur auf das reine Design und lizensierten dann die Entwürfe an Hersteller-Firmen.
Heute ist in Silicon Valley dieses Modell vorherrschend, und die eigentliche Produktion findet meist nicht mehr vor Ort statt.

Eine ähnliche Entwicklung erfolgte in der Netzwerkindustrie (Networking):
Die ersten Firmen waren "komplett", die nächste Generation konzentrierte sich auf Software, Chip-Design, Netzwerk-Design und Marketing.
Danach war der Markt größtenteils gesättigt, und nur wenige weitere Startups waren zu erwarten.
Die Netzwerk-Technologie wurde jedoch komplexer, und man erkannte, dass sie auf immer mehr Gebiete anwendbar war. Das führte zur Gründung von Nischen-Firmen, die sich ganz auf ein spezielles Produkt konzentrierten, um es danach an die großen Konzerne zu verkaufen und ihnen die Vermarktung und den Vertrieb zu überlassen.

Halbleiter waren aber nicht das einzige, was in Silicon Valley hergestellt und vermarktet wurde: Mit Hilfe der Economy Two wurden auch verschiedenste Erfindungen und Technologien aus anderen Bereichen, die an Universitäten, in Laboratorien oder in bestehenden Firmen entstanden waren, kommerzialisiert. Es gab ein breites Spektrum dieser Produkte, z.B. auf den Gebieten der Biotechnologie oder der medizinischen Instrumente.

Damals gab es einige sogenannte "Research Centers" in Silicon Valley. Manche davon waren im Besitz großer Elektronikkonzerne, andere waren Teil von Universitäten. In diesen Forschungszentren wurden viele bedeutende Erfindungen und Entwicklungen getätigt. Oft war es den Betreibern der Zentren aber nicht möglich, alle diese Erfindungen kommerziell zu verwerten, und so ergriffen häufig einzelne Mitarbeiter die Chance, ihr Glück in einem Startup zu versuchen.

Viele der Erfindungen der Festplatten-Industrie wurden beispielsweise im IBM Electronics Research Center in San Jose gemacht, und von den Mitarbeitern in neuen, eigenen Firmen kommerzialisiert. Der Großteil dieser neuen Firmen blieb in der Gegend des IBM Center, da deren Betreiber keinen Grund sahen, aufgrund einer Firmengründung ihren Wohnsitz zu wechseln, wodurch sich dieses Gebiet schnell zum Zentrum der weltweiten Festplattenindustrie entwickelte.
Auch das Xerox Palo Alto Research Center (PARC) spielte eine große Rolle: Ursprünglich für die Durchführung von Studien über das "Büro der Zukunft" gegründet, entstanden dort in den siebziger Jahren viele Technologien, die heute kaum aus der Computerwelt wegzudenken wären: grafische Benutzeroberflächen, die erste kommerziell vertriebene Maus, Flachbildschirme, Laserdrucker, LAN Netzwerke (Ethernet), Objektorientierte Programmierung, und viele mehr. Sogar der erste Personal Computer überhaupt (der "Alto") wurde dort entwickelt23.
Der Xerox-Konzern war nicht imstande, all diese Erfindungen selbst kommerziell zu nutzen, doch die Economy Two war zur Stelle, um einzelne Unternehmer bei deren Kommerzialisierung zu unterstützen.

In den sechziger Jahren gab es auch viele Laboratorien zur Erforschung des militärischen Nutzens von Mikrowellen, die eine ganze Reihe von Startups hervorbrachten. Die zivilen Verwendungsmöglichkeiten dieser Technologie waren jedoch nur beschränkt, sodass es ein Nischenmarkt blieb.

Wozniak, Jobs und der Apple I Ein klassisches Beispiel für einen äußerst erfolgreichen jungen Unternehmer ist Steve Jobs, der 1976 mit 20 Jahren zusammen mit dem Studienabbrecher Steve Wozniak Apple Computer, Inc. gründete, und bereits drei Jahre später eine führende Marktstellung bei Minicomputern errungen hatte.

Daneben gibt es aber auch eine ganze Reihe von Technologien, die in Silicon Valley entwickelt wurden, die aber trotz kostspieliger Investitionen fehlschlugen - manchmal auch, weil die Zeit ganz einfach noch nicht reif für sie war: Computing mittels Eingabestift24, frühe Versuche mit Super-Mini-Computern und künstlicher Intelligenz, u.s.w.
Die Wirtschaft von Silicon Valley kommt jedoch auch mit Fehlschlägen klar. Nach einer bestimmten Anzahl von misslungenen Versuchen finden sich keine Investoren für Firmen in diesen Branchen mehr - das heißt dann: "Learning by example"!




23 - Xerox: PARC's Legacy

24 - Siehe KAPLAN, Jerry: Startup. A Silicon Valley Adventure. New York: Penguin Books, 1996


© 2001 Christopher Clay · c3o